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Gratulation zum Schöller-Preis für Altersmedizin 2024!
Besserer Schlaf im Pflegeheim und Sturzprävention – das Klinikum Nürnberg und die Theo und Friedl Schöller-Stiftung prämieren zwei Forschungsprojekte.
Mit Strategien gegen Schlafstörungen bei Menschen mit Demenz und mit einem neuen Gleichgewichtstraining für Sturzgefährdete haben sich Forschungsteams im Wettbewerb um den Theo und Friedl Schöller-Preis durchgesetzt. Das Zentrum für Altersmedizin am Klinikum Nürnberg und die Theo und Friedl Schöller-Stiftung zeichnen 2024 zwei wissenschaftliche Studien gleichrangig mit dem Preis aus. Das Preisgeld wird geteilt.
„Die beiden Preisträger-Arbeiten dieses Jahres sind von herausragender wissenschaftlicher Qualität und Originalität“, sagt Univ.-Prof. Dr. Thomas Hillemacher, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats für den Schöller-Preis und Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Nürnberg. Unter 14 Bewerbungen hätten die beiden prämierten Studien außerdem wegen ihrer hohen gesellschaftlichen Relevanz und der guten Umsetzbarkeit ihrer Ansätze im Alltag punkten können.
Der Theo und Friedl Schöller-Preis wird seit 2013 jährlich vom Klinikum Nürnberg ausgeschrieben, um gemeinsam mit der Theo und Friedl Schöller-Stiftung Forschungsarbeiten auszuzeichnen, die eine gute Versorgung älterer Menschen konstruktiv untersuchen. Mit dem Preisgeld von 20.000 Euro ist die Auszeichnung die am höchsten dotierte auf dem Gebiet der Altersmedizin in Deutschland.
Schlafstörungen ein häufiges Symptom von Demenz
Ohne Medikamente den Schlaf in Pflegeheimen zu verbessern, das war das Ziel des Preisträgerprojekts „MoNoPoL-Sleep“. Ein Zusammenschluss von Forschenden der Universität zu Lübeck, der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg, des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen und der Universität zu Köln hat dafür ein Konzept entwickelt – und ihre gemeinsame Studie konnte die Wirksamkeit bei Menschen mit Demenz tatsächlich belegen.
„Für gute Schlafqualität zu sorgen, stellt stationäre Altenpflegeeinrichtungen vor große Herausforderungen“, erklärt Martin Dichter vom beteiligten Institut für Pflegewissenschaft der Universität zu Köln. „Häufig werden Medikamente wie Schlafmittel und Psychopharmaka eingesetzt, die jedoch größtenteils unwirksam, ja sogar schädlich sind. Darum braucht es dringend Maßnahmen, die direkt bei den Bedürfnissen der Menschen mit Demenz ansetzen und schlaffördernde Konzepte in den Einrichtungen selbst schaffen.“
Im Verlauf einer Demenz sind Ein- und Durchschlafprobleme und nächtliche Unruhe ein häufiges Symptom. Das Zeitgefühl der Betroffenen kann gestört sein, sodass sich ihr Tag-Nacht-Rhythmus verschiebt. Aber auch Medikamente, Ängste, der typische Bewegungsdrang oder schlafhemmende Routinen in den Einrichtungen können bewirken, dass die Menschen schlecht schlafen
Anteil der Bewohner mit Schlafproblemen sank um 25 Prozent
„MoNoPoL Sleep“ war eine randomisierte kontrollierte Studie, das heißt, die 24 teilnehmenden Pflegeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt wurden per Zufall zwei verschiedenen Gruppen zugeteilt. Insgesamt nahmen 191 Menschen mit Demenz an der Studie teil. Bei einer Gruppe kam ein Interventionsprogramm zum Einsatz. Es umfasste eine Analyse des Schlafmilieus in jeder Einrichtung, die Einführung sogenannter Schlafbeauftragter, Schulungs- und Informationsmaterial. In Workshops konnten die Pflegenden Fälle besprechen und die Einrichtungen ein zu ihnen passendes Konzept zur Schlafförderung entwickeln. Die Vergleichsgruppe erhielt keine Maßnahmen. Die Gruppe mit dem Maßnahmenpaket zeigte nach vier Monaten erheblich weniger Schlafprobleme.
Pflegewissenschaftler Martin Dichter fasst zusammen: „Durch unser Programm reduzierte sich der Anteil an Menschen mit Schlafproblemen um etwa 25 Prozent. Der bessere Schlaf wirkt sich im Verlauf auch positiv auf die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Menschen mit Demenz aus.“ „MoNoPoL Sleep“ soll nun in einer Folgestudie weiterentwickelt und an einer größeren Stichprobe weiter untersucht werden. Interessierte Pflegeeinrichtungen können die im Projekt entwickelten Schulungsmaterialien auf der Internetseite www.monopol-sleep.de abrufen.
Ein „Störungslaufband“ simuliert Stolpern beim Gehen
Ebenfalls mit dem Schöller-Preis 2024 wird die Studienarbeit „Training der reaktiven Balance auf einem Perturbationslaufband bei geriatrischen Patienten“ von Dr. Ulrike Trampisch aus der Klinik für Altersmedizin und Frührehabilitation am Universitätsklinikum Marien Hospital Herne ausgezeichnet. Die Sportwissenschaftlerin hat mit Klinikdirektor Prof. Dr. Rainer Wirth eine vielversprechende Methode der Sturzprävention für gebrechliche ältere Menschen untersucht.
Für die randomisierte kontrollierte Studie erhielten insgesamt 127 geriatrische Patientinnen und Patienten, die mehrfach erkrankt und funktionell eingeschränkt waren, ein mindestens 60-minütiges Training auf einem sogenannten Perturbationslaufband. Dieses Trainingsgerät kann Stolpersituationen beim Gehen simulieren, indem es plötzlich beschleunigt, stoppt oder sich zur Seite bewegt – diese unerwarteten Bewegungen gilt es auszugleichen. Bei der Benutzung ist man angegurtet, um nicht zu stürzen. Die Interventionsgruppe mit 67 Patientinnen und Patienten trainierte mit unangekündigten Störungen. Die Vergleichsgruppe übte ohne Störungen.
„Die Gruppe mit den Störungen während des Trainings zeigte gegenüber der Kontrollgruppe eine klinisch bedeutsame Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit der unteren Extremität“, erläutert Dr. Ulrike Trampisch. „Ob dieses Training auch tatsächlich dazu beiträgt, Stürze zu reduzieren, ist allerdings noch nicht nachgewiesen.“
Gerade beginnt das Forschungsteam deshalb eine neue Studie mit mehreren Einrichtungen, um Auswirkungen des Störungslaufband-Trainings auf die Sturzhäufigkeit bei älteren Menschen zu untersuchen; das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert diese Folgestudie.
Zu den Juroren zählte traditionell auch Univ.-Prof. Dr. Markus Gosch, Sprecher des Zentrums für Altersmedizin am Klinikum Nürnberg und Inhaber des Lehrstuhls für Geriatrie an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) in Nürnberg. Er gratuliert den beiden prämierten Teams und ermutigt sie zur weiteren Forschung. „Zu Gunsten unserer älteren Patientinnen und Patienten brauchen wir gute wissenschaftliche Studien. So können wir die Bedeutung der Altersmedizin stärken und unser Fachgebiet weiterentwickeln.“
Originaltitel der Studienarbeiten:
- Dichter, M. N., Dörner, J., Wilfling, D., Berg, A., Klatt, T., Möhler, R., Haastert, B., Meyer, G. Halek, M., Köpke, S. (2024). Intervention for sleep problems in nursing home residents with dementia: a cluster-randomized study. International Psychogeriatrics, 1-14. doi:10.1017/S1041610223004489
- Alexander Petrovic, Rainer Wirth, Christiane Klimek, Gero Lueg, Diana Daubert, Chantal Giehl and Ulrike Sonja Trampisch (2024): Impact of Reactive Balance Training on a Perturbation Treadmill on Physical Performance in Geriatric Patients: Results of a Single-Center, Assessor Blinded Randomized Controlled Trial. Journal of Clinical Medicine, 13(19), 5790; doi.org/10.3390/jcm13195790
Bild: Bei der Verleihung des Theo und Friedl Schöller-Preises für Altersmedizin am 18. Oktober 2024 in der Nürnberger Akademie (im Vordergrund, von links): Preisträger Martin Dichter, Univ.-Prof. Dr. Jan Liman (Chefarzt Klinik für Neurologie), Preisträgerin Dr. Ulrike Trampisch, Univ.-Prof. Dr. Thomas Hillemacher (Chefarzt Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie), Univ.-Prof. Dr. Markus Gosch (Chefarzt Klinik für Innere Medizin 2, Schwerpunkt Geriatrie) mit (im Hintergrund, von links) Rainer Hattenberger (Schöller-Stiftungen), Dr. Elke Kaufmann (Wissenschaftlicher Beirat Schöller-Preis) und Dr. Christoph von Imhoff (Schöller-Stiftungen).
Foto: Rudi Ott, Klinikum Nürnberg